drukowana A5
15.7
Threnodien

Bezpłatny fragment - Threnodien


Objętość:
35 str.
Blok tekstowy:
papier offsetowy 90 g/m2
Format:
145 × 205 mm
Okładka:
miękka
Rodzaj oprawy:
zeszytowa
ISBN:
978-83-288-0362-6

An meine getreuen Hörer

Als ich daranging die „Treny” Kochanowskis ins Deutsche zuübertragen, war ich überzeugt, dass mein Unternehmen in Polen lebhaften Anklang finden werde. Ich glaubte mich dazuumsomehr berechtigt, als ja bereits meine Übersetzung vonKochanowskis Drama) einen ungewöhnlichen Erfolg zu verzeichnen hatte. Das Stück wurde im Rahmen einer großangelegten Kochanowskifeier von der Deutschen Bühne in Bromberg(Bydgoszcz) glänzend in Szene gesetzt, und sowohl jene denkwürdige Aufführung, als auch mein Buch erfreuten sich weitüber die Grenzen hinaus in der Presse Deutschlands, Frankreichs,ja selbst Amerikas spaltenlanger Besprechungen, in denen fastausnahmslos von der hohen kulturellen Bedeutung dieses Ereignisses die Rede war. Ich glaube kaum, dass eine zweite Übersetzung aus dem Polnischen, sei es in welche Sprache immer,sich im neuen Polen auf eine ähnliche „propagandistische“ Wirkung berufen könnte. Auch meine früheren Erfahrungen inBöhmen, wo gleich meine ersten schüchternen Anfänge freundlicher Aufnahme begegneten und man mir von allen Seiten bereitwilligst jegliche Unterstützung anbot, — auch diese sympathischen Erfahrungen, die ich noch in lieber Erinnerung hege,ließen mich erwarten, dass man endlich auch hier, wo so vielvon „kultureller Propaganda“ gesprochen und geschriebenwird, wenigstens in diesem Falle die Bedeutsamkeit und Tragweite meiner Arbeit begreifen werde. Handelt es sich dochum nichts Geringeres als um die erste und einzige deutsche Gesamtübersetzung eines dergrößten Meisterwerke der polnischen Literatur.

Aber weit gefehlt! Trotz aller meiner Bemühungen hat sichweder ein Verleger bereit gefunden mein Werk herauszugeben,noch hat sich irgendwelche hierzu berufene literarische Vereinigung oder staatliche Behörde bewegen lassen es finanziell oderauch nur moralisch zu unterstützen. Ich war also nahedaran die mühevolle Arbeit zweier Jahre zu vernichten, hättetnicht Ihr in wohlverstandenem, vorbildlichem Patriotismus nochin zwölfter Stunde Eure Spargroschen zusammengetragen, umein Werk, das die schönste und eigenartigste Dichtung aus demGoldenen Zeitalter polnischer Poesie den Deutschen vermittelnund so dem großen Dichter tausende von neuen Freunden undVerehrern werben wollte, wenigstens vor dem völligen Untergang zu bewahren. Denn Ihr sagt Euch mit Recht (und Ihrerseht es aus der Geistesgeschichte der großen Kulturen desWestens), dass jede gute Übersetzung einer überragenden Leistung, deren eine Nation sich vor anderen rühmen darf, gewissermaßen eine geistige Eroberung bedeutet. Und so habt Ihr,wenn auch in den bescheidenen Grenzen Eures Könnens, eineTat vollbracht, die von Eurer vornehmen und sachlichen Denkart beredtes Zeugnis ablegt und Euch meine Achtung und Dankbarkeit für immer sichert.

Freilich musste ich jetzt schweren Herzens so manchen mirliebgewordenen Plan begraben. Vor allem war ich genötigt aufden reichen und erlesenen Buchschmuck zu verzichten, dermeiner Pietät für den Dichter auch auf diese Weise Ausdruckgeben sollte und durch seine des klassischen Inhalts würdigeAufmachung sicher auch im Ausland imponierend gewirkt hätte.Ferner musste eine umfangreiche, teilweise ganz neue Ergebnisse bringende Einleitung zum Opfer fallen, ebenso die ausführlichen, zumeist für den deutschen Leser bestimmten Anmerkungen. Denn es blieb leider kein anderer Ausweg als selbstwertvollen Ballast abzuwerfen, um doch wenigstens das Wichtigste aus dem Schiffbruch zu retten. In dieser bescheidenenGestalt lege ich somit mein Büchlein in Eure Hände. Der breiten Öffentlichkeit bleibt es vorenthalten.

Zum Schluss noch eine grundsätzliche Feststellung. Ich arbeite nicht für „Propaganda”. Ich liebe dieses Wort nicht, dasauch in seinen lautersten Auswirkungen den Beigeschmack desGeschäftlichen in sich schließt. Wenn ich mich durch vierzehn Jahre in meinen Nebenstunden mit der Verdolmetschungpolnischer Dichtungen befasst habe, so geschah es lediglich deshalb, weil mich diese Art von Tätigkeit seit jeher anzogund mir auch heute manche schöne Stunde innerer Befriedigungbeschert. Aber ich habe es, so wie Kochanowski, nicht nötig,dass die Musen „für mich bei undankbaren Leuten betteln”.Und darum fühle ich mich — trotz vereinzelter Beweiseäußerer Anerkennung — naturgemäß nicht weiter berufenmein Bestes für solche hinzugeben, die meinen idealen Bestrebungen vollkommen taub und verständnislos gegenüberstehen, ja zum großen Teil sie sogar ablehnen, weil — nun, dasWarum brauche ich Euch, meine lieben Germanisten, nicht erstdes Weiteren auseinanderzusetzen.

Threnodie I

All ihr Tränen, die einst Heraklit vergossen,

Klag’ und Jammer, Simonides’ Mund entflossen,

All ihr Seufzer und Gram auf dem Erdenballe

Und Leid und Weh und Händeringen: ihr alle,

Alle mögt euch in meinem Hause vereinen,

Und helfet mir mein holdes Mädchen beweinen,

Von dem der ruchlose Tod mich hat geschieden

Und jählings mir geraubt allen Trost hinieden!

So holt die Schlange aus dem versteckten Neste

Die junge Brut, dass gierig den Schlund sie mäste,

Indes die arme Mutter zwitschernd voll Zagen

Den Mörder wieder und wieder will verjagen;

Vergeblich, denn schon will er sie selber fangen,

Kaum dass sie ihm mit dem Gefieder entgangen.

Ihr andern sagt wohl, eitel sei es zu weinen?

Was will, bei Gott, nicht eitel auf Erden scheinen?

Alles eitel! Wir tasten, wo’s weicher eben,

Und allseits driickt’s: ein Irren das Menschenleben

Was lindert mehr: im Leiden offen zu klagen,

Oder den Schmerz gewaltsam niederzuschlagen?

Threnodie II

Sollt über Kinder je ich mit der Feder spielen

Und leichte Reime baun um dieses Alters willen,

Bei Gott, die Wiege hätt ich lieber da geschaukelt

Und seichte Lieder für die Ammen hingegaukelt,

Dass sie die Kinderchen damit in Schlummer singen

Und ihrer Pfleglinge Geschrei zum Schweigen bringen!

Mit größerm Nutzen hätt ich solches Zeug gemacht,

Als nun — was heute mir mein Unglück zugedacht —

An meines holden Kinds verschwiegnem Grab zu weinen

Und ob Proserpinas grausamem Druck zu greinen.

Doch könnt ich beides nicht mit gleicher Freiheit tun:

Jenes verschmäht’ ich, weil dem reifen Geist es nun

Nicht reif genug erschien; in dieses stieß mit Zwang

Die Schickung mich und mein Verlust fürs Leben lang.

Und jetzt ist mir nicht leicht darüber nachzusinnen,

Ob durch mein Weinen ich einst werde Ruhm gewinnen.

Nicht wollt ich Lebenden, heut muss ich Toten singen

Und klagend fremden Tod, mich selbst ihm nahebringen.

Was hilft’s! Wie das Geschick verfolgt die Menschen hüben,

So wirkt es heitern Sinn in ihnen oder trüben.

O ränkevolles Recht, o flücht’ger Schattenschar

Grausame Fürstin du, unbeugsam, unnahbar!

Musst meine Ursula, da sie ja noch auf Erden

Zu leben nicht verstand, so früh entrafft mir werden?

Die an der Sonne Glanz sich noch nicht sattgeschaut,

Ging ach! das Land besehn, wo ew’ge Nacht nur graut.

Und lieber sollte sie nicht erst das Licht gewahren!

Was hat sie mehr denn als Geburt und Tod erfahren?

Und statt des Trosts, den sie den Eltern mit der Zeit

Geschuldet, ließ sie uns zurück in schwerem Leid.

Threnodie III

Stolz hast du mich verschmäht, du traute Erbin mein!

Es schien des Vaters Gut dir zu gering zu sein,

Als dass du je daran Genüge hättst gefunden.

Nie könnt es messen sich, ich sag es unumwunden,

Mit deinem frühen Geist, mit deinem holden Wesen,

Daraus dein Tugendpreis schon war vorauszulesen.

O Worte, kindlich Spiel, manierliches Bewegen,

Wie muss ich heut um euch so groß Betrübnis hegen!

Und du, mein Trost, kehrst nicht zurück in Ewigkeiten,

Und meiner Sehnsucht wirst kein Ende du bereiten.

Nichts bleibt mir da, nichts bleibt als nur dir nachzureisen,

Und deiner Füßchen Spur wird mir die Fährte weisen.

Dort seh ich dich, wills Gott, und du sollst mich begrüßen

Und deinen Vater in die teuern Ärmchen schließen.

Threnodie IV

Gewalt tatst, arger Tod, du meinen Augen an,

Dass sie mein liebes Kind vorzeitig sterben sahn.

Ich sah, wie unreif noch die Frucht hinabgeglitten,

Und solches Unglück hat der Eltern Herz zerschnitten.

Nie hätte zwar der Tod sie ohne großes Leid

Mir jemals fortgeführt, nie ohne Bitterkeit

Und schwere Herzenspein, selbst wenn in spätern Jahren

Sie mir zur Kümmernis wär aus der Welt entfahren;

Doch nimmer hätt ihr Tod mir so viel Leid gebracht,

So große Qual in mir und Sehnsucht nie entfacht;

Denn sie (hätts Gott gewollt und ihr noch Frist gewähret)

Hätt meinen Augen wohl noch manchen Trost bescheret.

Inzwischen könnt ich doch mit meinem Leben schließen

Und auf der letzten Fahrt Persephone begrüßen

Und hätt im Herzen nicht gefühlt so großes Wehe,

Dass ich auf dieser Welt nicht seines Gleichen sehe.

Nun fass ichs: Niobe, da sie den Tod gewahrte

Der lieben Kinderschar, dass sie zu Stein erstarrte.

Threnodie V

Wie die Olive klein im hohen Park entsprießt

Und in der Mutter Spur vom Boden aufwärtsschießt,

Noch hat sie Zweige nicht, noch Blätter nicht getrieben,

Selbst ist sie nur vorerst ein schlankes Reis geblieben;

Wenn reutend scharfen Dorn und wilden Nesselbast

Des Gärtners Schere die voreilig hat erfaßt,

Welkt sie alsbald dahin, und ohne Lebenskraft

Sinkt sie zur Mutter Fuß, der lieben, hingerafft:

Also geschah es auch mit meinem liebsten Kinde.

Der Eltern Augen sahn es wachsen, doch geschwinde,

Kaum hobs vom Boden sich, sanks von der gift’gen Seuche

Des grausen Tods behaucht den Eltern, ach, als Leiche

Zu ihren Füßen hin. Böse Persephone,

Wie konntest sinnlos du zulassen so viel Weh?

Threnodie VI

Frohsame Sängerin, slawische Sappho du,

Nicht nur mein Erdenteil kam dir als Erbe zu,

Nein, auch die Laute warst zu erben du berechtigt!

Zu solcher Hoffnung hast du selbst uns schon ermächtigt.

Du schufest Lied um Lied, es schloss sich nie dein Mündchen,

Den ganzen lieben Tag sangst du so manches Stündchen,

So wie im grünen Busch die kleine Philomele

Die ganze Nacht durchsingt mit ihrer frohen Kehle.

Zu schnell bist du verstummt, es hat dich so geschwind

Der schnöde Tod verscheucht, mein holdes Plauderkind!

Nie könnt mein Ohr sich satt an deinen Liedern hören,

Und dieses Wen’ge zahl ich jetzt mit reichen Zähren.

Selbst sterbend hast du nicht das Singen aufgegeben.

Die Mutter küsstest du und schiedest so vom Leben:

,,Ich werde, meine Mutter, dienen dir nicht mehr,

An deinem lieben Tische bleibt mein Platz nun leer;

Hier sind des Hauses Schlüssel, denn ich zieh hinaus.Auf ewig scheid ich von der lieben Eltern Haus ...”

Das war, und was gebeugt von Leid und Ungemach

Der Vater nicht mehr denkt, das Letzte, was sie sprach.

Und als die Mutter nun vernahm den Scheidesang,

Das gute Herz, dass ihr’s da nicht vor Leid zersprang!

Threnodie VII

Unsel'ger Kleiderstaat, bei dem ich Leid empfinde,

 Von meinem liebsten Kinde!

Wozu müsst ihr auf euch die trüben Blicke kehren,

 Mein Leid noch zu vermehren?

Nie wieder hüllt in euch sie ihre zarten Glieder,

 Nein, niemals, niemals wieder!

Es hält der ew’ge Schlaf sie eisern, hart umfangen.

 Nie wieder wird sie prangen

In buntem Sommerkleid, goldfarbnen Gürteln, Bändern,

 Der Mutter Liebespfändern!

Nicht solche Lagerstatt, mein teures Mädchen, hätte

 Die Mutter dir als Bette,

Die arme, zugedacht, nicht solch ein Angebinde

 Versprach sie ihrem Kinde!

Ein Hemdlein gab sie bloß, ein schlichtgewebtes Röcklein,

 Der Vater Erdenbröcklein

Dir unters Köpfchen. Ach! Nun ruhn sie im Vereine,

 Versperrt in einem Schreine!

Threnodie VIII

Welch große Öde hast du in mein Haus gebracht,

O teure Ursula, seit du dich fortgemacht!

Voll ists bei uns, und doch — als ob nun alles fehle,

So viel verloren wir um eine kleine Seele.

Du hast für uns geschwätzt, für uns hast du gesungen.

In alle Winkel ist dein Trippelschritt gedrungen;

Nie littst du, dass in Gram die Mutter sich verzehr,

Noch dass des Vaters Kopf vom Denken allzu schwer,

Bald ihn, bald wieder sie hold an dein Herzchen schmiegend

Und durch dein Lachen sie, dein fröhliches, vergnügend.

Und jetzt ist alles still, im Haus ists öd und leer,

Zu spielen gibt es nichts, nichts gibts zu lachen mehr.

Aus jedem Winkel fasst den Menschen Leid und Schmerz,

Und, ach, vergeblich späht nach Tröstung aus das Herz.

Threnodie IX

Weisheit, um teures Geld man dich erkaufen müsste,

Wenn sich der Spruch bewährt, du träfest alle Lüste,

All menschlich Weh zusamt den Wurzeln auszuraffen,

Ja selbst den Menschen schier zum Engel umzuschaffen.

Der nichts von Schmerze weiß, kein sehrend Leid verspüret,

Der keinem Missgeschick erliegt, den Furcht nicht rühret.

Dir gilt der Menschen Tun für bloße Nichtigkeit,

Gleichmüt’ge Sinnesart im Glück wie auch im Leid

Trägst du in dir; dem Tod beutst du dich furchtlos dar,

So stehst du sicher da, ewig, unwandelbar.

Du misst den Reichtum nicht mit Gold und Schätzen zu.

Doch was Natur erheischt, das spendest reichlich du;

Dein Auge, dem sich nichts entzieht, das immer wache,

Erspäht den Elenden selbst unter goldnem Dache.

Dem Armen neidst du nicht, dass er sich glücklich heißt,

Wenn er dein Mahnwort nur zu hören sich befleißt.

Ich unglücksel'ger Mann, der ich all meine Jahre

Damit verbracht, dass ich die Schwelle dein gewahre:

Nun von der Treppe Fuß jählings zurückgesetzt,

Bin unter andern ich einer von vielen jetzt.

Threnodie X

Wohin nur mochtest du mir, Ursula, entschweben,

In welche Gegend dich, in welches Land begeben?

Gingst du in jene Höhn ob allen Himmeln ein

Und zählst dort zu der Schar der kleinen Engelein?

Kamst du ins Paradies? Zu sel’gen Inselauen

Wardst du vielleicht gebracht? Führt Charon dich durch Grauen

Über die bangen Seen und labet deinen Mund

Mit Lethe, dass dir nichts von meinem Weinen kund?

Legtest du Menschenleib, jungfräulich Wesen nieder

Und nahmst der Nachtigall Gestalt an und Gefieder?

Weilst du im Feuerbad, auf dass an deinem Leibe

Auch nicht das kleinste Mal von Irdischem verbleibe?

Gingst du dorthin zurück, wo deine Heimat war,

Eh mir zu schwerem Leid die Mutter dich gebar?

Wo du auch bist, lass dir mein Leid zu Herzen gehen,

Und kann ich dich schon nicht, so wie du einst warst, sehen,

Dann zeig dich mir zum Trost, ob du auch wirklich seist,

Als Schatten oder Traum oder als flücht’ger Geist.

Threnodie XI

„Ein Nichts ist Tugend”, sprach Brutus, da er geschlagen;

Ein Nichts, wohin man blickt, ein Nichts, wohin wir jagen!

Wen hat wohl Frömmigkeit je aus der Not befreit?

Wen hat wohl Güte je vor bösem Fall gefeit?

Der Menschen Dinge mischt geheim ein feindlich Wesen,

Das nicht in Obhut hält die Guten, noch die Bösen;

Wohin sein Atem weht, wird keiner ihm entfliehn;

Ob schuldig oder nicht, wahllos erreicht es ihn.

Und wir mit unserm Kram, als ob der Weisheit wär,

Sind vor Einfält’gen stolz und wissen doch nicht mehr.

Wir stürmen himmelauf, Gottes geheime Pläne

Dort auszuspähn, allein der Blick der Erdensöhne

Ist stumpf dazu. Uns ziehn flüchtige Traumchimären

In ihren Bann, die sich, wie’s scheint, doch nie bewähren.

Leid, was tust du mir an? so soll ich beide euch

Verlieren denn nunmehr: Trost und Verstand zugleich?

Threnodie XII

Kein Vater hat wohl je sein Kind so sehr geliebt,

Und keiner war wohl je so sehr wie ich betrübt.

Und kaum hat jemals auch ein Kind gelebt auf Erden,

Wert von den Eltern so wie dies geliebt zu werden;

So sauber, zuchtgewohnt, von Launen weit entfernt,

Sang, sprach und reimte sie, als hätte sie’s gelernt;

Und Knix und Positur verstand sie nachzuahmen

Und trug und unterhielt sich so wie junge Damen;

Vernünftig, sittiglich, leutselig, ohne Neid,

Gutwillig, anmutreich, schlicht und voll Züchtigkeit.

Nie hätte morgens sie der Speise je gedacht,

Eh sie nicht Gott zuvor hätt ihr Gebet gebracht;

Ging nicht zu Bett, eh sie der Mutter sich empfohlen

Und ihrer Eltern Heil dem Lieben Gott befohlen.

Stets wenn der Vater kam, sprang sie von Schwell zu Schwelle

Und war mit freudigem Willkommengruß zur Stelle;

Hilfreich bei jedem Werk, war sie im Elternhaus

Der ganzen Dienerschaft bei jedem Dienst voraus.

Und solches übte sie schon in so jungen Jahren,

Da ihr nicht mehr vergönnt als dreißig Monde waren.

Doch sie bestand nicht so viel Trefflichkeit und Tugend,

Unter der Fülle brach zusammen ihre Jugend,

Eh noch die Ernte kam. — Du einz’ge Ähre mein,

Noch warst du nicht gereift, und ich, der Stunde dein

Nicht harrend, sä aufs neu dich ein, von Leid betroffen,

Allein zugleich mit dir begrab ich auch mein Hoffen,

Denn nie mehr gehst du auf, noch Ewigkeiten hin

Wirst du vor meinem Blick, dem traurigen, erblühn!

Threnodie XIII

Holsel'ge Ursula, hätt ich dich nicht verloren,

Ach, oder wärest du doch lieber nie geboren!

Die kurze Lust zahl ich mit meinen großen Leiden,

Die mich betroffen durch dein allzufrühes Scheiden.

Du täuschtest mich so wie ein Traum in nächt’ger Zeit,

Der mit Unmengen Golds den gier’gen Sinn erfreut.

Dann flieht er jählings fort, und wenn die Nacht vergangen,

Bleibt von den Schätzen bloß Begierde und Verlangen:

So, teure Ursula, hast du’s mit mir gemacht:

Du hast im Herzen groß die Hoffnung mir entfacht,

Dann ließest du mich jäh mit meinem Leid zurück

Und nähmest mit dir fort all meinen Trost, mein Glück.

Du nahmst mir, kurz gesagt, die Hälfte meiner Seele,

Der Rest verblieb bei mir, dass stets mich Sehnsucht quäle.

Hierher, ihr Maurer, legt mir einen Quaderstein

Und meißelt mir darauf die traur’ge Grabschrift ein:

,,Ursula Kochanowska liegt allhier, die Freude

Des Vaters, oder nein: der Quell von Schmerz und Leide.

Verkehrt, achtloser Tod, war diesmal dein Erscheinen:

Ich sollte ja nicht sie, sie sollte mich beweinen”.

Threnodie XIV

Wo ist das Unglückstor, durch welches einst vor Jahren

Auf der Verlornen Spur Orpheus hinabgefahren?

O könnt auf diesem Pfad nach meinem liebsten Kinde

Doch ich auch suchen gehn, dass jene Furt ich finde.

Durch die ein Fährmann grimm mit bleichen Schatten gleitet

Und sie in traurige Zypressenwälder leitet.

Doch du verlass mich nicht, du holde Laute mein,

An meiner Seite komm bis ins Gemach hinein

Des strengen Pluto: sieh, da will ich ihn mit Tränen,

Du ihn mit Trauersang erweichen und versöhnen,

Dass er mein liebstes Kind mir doch noch wiederschenkt

Und mir das Leid verkürzt, das mich so maßlos kränkt.

Entgehn kann sie ihm nicht; zu ihm gehn alle ein;

Kann ich bekommen nur das frühe Blümelein!

Wie trüg auch dieser Gott ein gar so steinern Herze,

Dass nichts mehr dort erbät ein Mensch in seinem Schmerze!

Was sag ich? Lieber steig auf immer ich hinab,

Und mit der Seele streif ich auch den Kummer ab.

Threnodie XV

Erato goldgelockt und du auch, holde Leier,

Den Menschen als ein Trost in Leid und Sorgen teuer,

Stillt auf ein Weilchen nur mir den gequälten Sinn,

Eh eine Säul' aus Stein ich noch im Felde bin,

Aus deren Marmel es wie blut’ge Tränen quillt,

Ein Denkmal schweren Leids, ein unglückselig Bild!

Irr ich, dass wenn der Mensch auf andrer Nöte blicket,

Er sich in eigenen Verlust viel leichter schicket?

Unsel’ge Mutter, (wenn dem Unglück man zu Schulden

Das buchen kann, was wir durch unsre Torheit dulden),

Wo sind die Söhne dir, die Töchter hin entschwunden?

Wohin der Trost, wohin die Freude froher Stunden?

Der Hügel vierzehn seh ich, und du, Leidbeschwerte,

Der wider Willen wohl so lang das Leben währte,

An kalte Gräber, ach, schmiegst, Arme, du dein Haupt,

Drin deine Kinder ruhn, so grausam dir geraubt:

So liegen Blumen, von der Sichel weggefegt,

Oder vom Regenschwall zu Boden hingelegt.

Was nährst für Hoffnung du? Was mehr erwartest du?

Was bringst du nicht dein Leid schnell durch den Tod zur Ruh?

Wo sind die Pfeile schnell oder der Bogen hin,

Der nie gefehlt, Phoebus und Göttin-Rächerin?

Aus Zorn (denn sie trägt Schuld), wenn nicht aus Mitgefühl,

Setzt ihrer Qual, bei Gott, der kläglichen, ein Ziel! —

Ein neues Strafgericht brach auf die Stolze ein:

In ihrem Mutterschmerz ward Niobe zu Stein,

Und auf dem Sipylos als ew’ges Marmorbild

Steht sie, doch lebt ihr Weh auch unterm Stein verhüllt,

So dass selbst durch den Fels des Herzens Tränen fließen

Und wie ein Sturzbach hell von oben sich ergießen,

Draus Tier und Vogel trinkt; und sie, in ew’gen Banden,

Fußt an des Felsens Rand, wo Stürme sie umbranden.

Dies Grab deckt Toten nicht, der Tote nicht im Grab,

Doch selber ist er tot und selbst für sich ein Grab.

Threnodie XVI

Des Unglücks willen und von Leid versehret.

Das bis ans Mark fast mir im Innern zehret,

Muss Laute ich und holden Reim verlassen,

   Ja schier die Seele lassen.

Leb ich? Hat mich ein falscher Traum betrogen,

Der durch das Knochenfenster kam geflogen

Und wie ein wach Gespenst den Sinn uns wirret

   Und hier — und dorthin irret?

O Truggeist, Träumereien, wahnbefangen!

Wie leicht ist’s doch mit der Vernunft zu prangen,

Wenn uns die Welt gehorcht und Schicksalstücken

   Des Menschen Haupt nicht drücken.

Die Armut preisen wir — im Überflusse,

Den Kummer schätzen leicht wir — im Genusse,

Und nichts ist uns der Tod, solang am Leben

   Die geiz’gen Parzen weben.

Doch Not und Leid, wenn die auf uns einbrechen,

Ists nicht so leicht zu leben wie zu sprechen,

Und dann erst ist am Tode uns gelegen,

   Wenn er schon unterwegen.

Beredter Arpinate, mit Bedauern

Gehst du aus Rom. Warum? Nicht seine Mauern,

Die ganze Welt ist ja der Sitz der Weisen,

   Wie du uns willst erweisen.

Warum beweinst du so der Tochter Sterben?

Hälts du doch nur die Schande für Verderben,

Und alle andern Übel soll und Plagen

   Man fast mit Freude tragen.

Der Tod, sagst du, sei Schrecken nur dem Bösen,

Was flohst du ihn, an Tugenden erlesen,

Da deine Rede dich, die zornentfachte,

   Ums Haupt beinahe brachte?

Du hast die andern, nicht dich selbst beraten,

Auch dir sind Worte leichter, scheints, als Taten,

Du Engelsfeder, stark das Leid zu tragen,

   Das ja auch mich geschlagen.

Es ist der Mensch nicht Stein, und wie die Karten

Fortuna stellt, so wird den Sinn uns arten

Das leid’ge Glück: die Seel es schlimmer spüret.

   Wenn wer die Wunden rühret.

Zeit, Mutter des Vergessens, so willkommen.

Was der Verstand nicht trifft und nicht die Frommen

Heil meinen Trübsinn, und die bittern Schmerzen

   Verdräng aus meinem Herzen.

Threnodie XVII

Die Hand des Herrn hat mich berührt,

Hat alle Freude mir entführt;

Kaum fühl in mir die Seel ich doch,

Und die, heißts, muss ich geben noch.

   Ob hell die Sonn im Aufgang steht,

   Ob sie verlöschend untergeht,

   Mir blutet immer gleich das Herz,

   Und nimmer wird gestillt sein Schmerz.

Das Auge wird nie trocken mir,

So muss ich weinen für und für,

So muss ich weinen, Herre mein,

Wer kann vor Dir verborgen sein?

   Schwimmt nur aufs hohe Meer hinaus,

   Verweilet nur im Schlachtgebraus,

   Das Unglück, überall schlägts ein,

   Mags noch so unwahrscheinlich sein.

Mein Leben so bescheiden war,

Dass mich kaum jemand ward gewahr

Und Missgunst nichts und Missgeschick

Anhaben mochten meinem Glück.

   Allein der Herr, der sieht und wacht

   Und ob der Menschen Fürsicht lacht,

   Traf mich mit umso härterm Stoß,

   Je sicherer mir schien mein Los.

Und der Verstand, der frei von Leid

Klug sprach von Widerwärtigkeit,

Heut weiß er selber kaum von sich:

So stützt’ er in der Krankheit mich.

   Zuweilen lenkt’ er gern wohl ein,

   Will mich von schwerem Leid befrein:

   Doch so ihr auf die Waag ihn legt, —

   Das Leid bleibt unten, unbewegt.

Es irrt der Mensch, dass Schaden man

Nicht Schaden nennen soll und kann;

Und wer gar lacht, wenn Leid ihn drückt,

Der, möcht ich sagen, ist verrückt.

   Doch wer gering das Weinen hält,

   Ich hör es wohl, was der erzählt:

   Nur wird davon das Leid nicht klein,

   Nein, größres noch dringt auf ihn ein.

Denn wem ein Weh die Seele sticht,

Muss weinen, willig oder nicht,

Was wohl nicht Ehre bringt; zum Schmerz

Versehrt dann Schmach ihm noch das Herz.

   Schwer ist, bei Gott, die Medizin

   Für einen kummervollen Sinn;

   Wer meines Wohlseins Freund will sein,

   Dem falle doch was Leichtres ein!

Drum lass ich meinen Tränen Lauf,

Gab ich doch alle Hoffnung auf,

Dass mich sollt retten der Verstand;

Das liegt allein in Gottes Hand.

Threnodie XVIII

Wir, Herre, Deine unfolgsamen Kinder

 Gedenken Deiner minder

 In unsres Glückes Zeiten

Und lassen nur von eitler Lust uns leiten.

Sehn nicht, dass Deine Gnad es uns verliehen,

 Und schnell wirds auch entfliehen,

 Wenn wir nur Undank haben,

O Herr, für Deine wohlgeneigten Gaben.

Halt uns im Zaum, dass uns nicht üppig mache

 Die Erdenlust, die flache;

 Dass wir Dir Ehre zollen —

In Strafe, wenn wir nicht in Liebe wollen.

Doch mit des Vaters Maße straf uns Schlimme,

 Denn wir vor Deinem Grimme

 Taun wie das Schneegefilde,

Wenn es die Himmelssonne wärmt, die milde.

Schnell stößt Du uns ins Elend, ew’ger Herre,

 Wenn Deine Hand, die schwere,

 Auf uns will niedergleiten,

Schon Deine Ungnad muss uns Qual bereiten.

Doch ewig bleibt Dein Mitleid rühmlich stehen,

 Eh wird die Welt vergehen,

 Eh Du dem Demutvollen,

War er auch lang abtrünnig, wolltest grollen.

Du siehst vor Deinem Richterthron mich Armen,

 Doch lässt Dein Allerbarmen,

 Den Zorn sich nicht entfalten:

Lass heut, Herr, über mich Dein Mitleid walten!

Threnodie XIX

Mein Leid ließ lang zur Nacht mich nicht die Augen schließen

Und den erschlafften Leib der Ruhe nicht genießen.

Kaum eine Stunde vor dem Morgengraun umfingen

Mich des saumsel’gen Schlafes schwärzlich-düstre Schwingen.

Derweil erschien leibhaftig mir die Mutter da

Und hielt im Arme meine holde Ursula,Wie sie so ums Gebet zu mir zu kommen pflegte,

Sobald aus ihrem Bett sie in der Früh sich regte.

Ein weißes Hemdlein hatte sie, gekraust das Haar,

Die Backen rot, und schelmisch lacht das Augenpaar.

Ich seh was weiter wird, da sprach die Mutter dann:

,,Schläfst, Jan, du, oder tuts dein täglich Leid dir an?”

Da seufzte schwer ich auf, und mich bedeucht’ es eigen,

Als sei ich aufgewacht. Und sie, nach kurzem Schweigen,

Nahm wiederum das Wort: „Dein ungestilltes Weinen,

Mein Sohn, ließ mich in euern Gegenden erscheinen

Aus weit entlegnem Land, und deine bittern Zähren

Gelangten selbst bis zu der Toten dunkeln Sphären.

Ich brachte dir im Arm das holde Mädchen dein,

Dass du sie noch magst schaun und deine Herzenspein

Im Zaume hältst, die so an deinen Kräften zehret

Und die Gesundheit dir, die schwache, so verheeret,

Wie an dem dürren Docht in stundenlangem Mühn

Das Feuer zehrt, dass er zu Zunder muss versprühn.

Haltet ihr denn uns Tote für Verlorne schon,

Und denen ewiglich der Sonne Licht entflohn?

Nein, umso voller leben wir das Leben droben,

Als übern plumpen Leib der edle Geist erhoben.

Staub kehrt in Staub zurück, und sollte denn verschwinden

Der Geist, das Himmelskind, und nicht die Heimstatt finden?

Drob härme du dich nicht und lass die Zweifel sein

Und glaube fest, es lebt dein liebstes Ursulein.

Und hier nun kam sie dir in der Gestalt entgegen,

Dass sie die Augen Sterblicher erkennen mögen;

Doch unter Engeln und der ew’gen Geisterwelt

Glänzt sie als holder Stern, und für die Eltern hält

Sie ihr Gebet, so wie sie es bei euch verstand,

Ob sie da gleich noch nicht die rechten Worte fand.

So dir daraus auch Leid erwächst, dass ihren Jahren

Abbruch geschehen ist, noch eh sie konnt erfahren

Die Freuden dieser Welt: o jämmerlich und schal

Sind eure Freuden und von solcher Art zumal,

Dass sie mehr sehrend Leid und Trübsal mit sich führen!

Das kannst du selbst an dir am ehesten verspüren:

Hast du dich je an deinem Kind so sehr gefreut,

Dass dein vergnügter Sinn und jene frohe Zeit

Wettmachen könnten heut dein sorgenschweres Los?

Du sagst es nicht, ich sehs. So halte davon bloß,

Wie du’s erfahren, und verzehr dich nicht, dass dein

Dir liebstes Kind so früh des Todes musste sein.

Nicht vom Genuss schied sie, sie schied von Mühsamkeit,

Von Arbeit und von Harm, von Tränen und von Leid.

Davon die Welt so viel besitzt, dass, wär auch eben

Dem Menschen etwas lieb in diesem Erdenleben,

So großer Zusatz den Geschmack ihm nehmen muss,

Aus Furcht schon, dass gewiss Verrat folgt auf dem Fuß.

Warum weinst du, bei Gott? Was kam ihr denn abhanden?

Dass für die Mitgift sie sich keinen Herrn erstanden?

Dass Drohungen sie nicht gehört und Fremder Schmähen?

Dass sie nicht mitgemacht schmerzhafte Kindeswehen?

Noch sagen kann, was ihre Mutter schmerzbewegt

Erfuhr: was größre Qualen zu bereiten pflegt,

Sie zu gebären oder zu begraben? Ist

Doch das der Schmack, womit ihr euch die Welt versüßt.

Im Himmel reine Freuden und für ew’ge Zeit,

Von jedem Makel frei und aller Fährlichkeit.

Hier herrschen Sorgen nicht, Arbeit ist unbekannt,

Unglück und Missgeschick hier keine Stätte fand.

Hier sieht man Krankheit nicht, hier gibt es Alter nicht,

Hier hält der tränensatte Tod nicht sein Gericht.

Wir leben zeitlos, stets von heiterm Sinn erfüllt,

Die Gründe aller Dinge sind vor uns enthüllt.

Die Sonne scheint uns stets, der Tag will nie sich neigen

Und führt die finstre Nacht nicht hinter sich im Reigen.

Den Schöpfer sehen wir in seiner Majestät,

Was ihr, in euern Leib gebannt, umsonst erspäht.

Dorthin lenk deinen Sinn beizeit und wahre dich,

Mein Sohn, für diese Freuden, reich und stetiglich.

Du weißt nun, was die Welt dem, der sie liebt, bescheret,

Drum sei dein Sorgen besser Wicht’germ zugekehret.

Dein Kind hat (glaube mir) ein gutes Los genommen

Und hat in ihrem Fall sich eben so benommen

Wie einer, der aufs Meer zum erstenmal sich schickt,

Und da er dorten große Fährlichkeit erblickt,

Die Rückkehr vorzieht; andre, die auf ihren Schiffen

Die Segel hissten, scheiterten an Felsenriffen;

Der brach, vom Frost besiegt, vor Hunger der zusammen,

Nur wen’ge, die auf einem Brett zur Küste schwammen.

Dem Tod entging sie nicht, und wär ihr auch hienieden.

Mehr noch als der Sibylle Lebenszeit beschieden.

Was später sollte sein, das zog sie vor zu meiden,

So weniger erfuhr sie dieser Erde Leiden.

Die liebsten Eltern müssen andre überdauern

Und dann ihr Waisentum in schwerer Not vertrauern;

Die stößt man aus dem Haus, mit einem Mann zu leben,

Und ihre Habe bleibt weiß Gott wem preisgegeben.

Die raubt man mit Gewalt, und selbst die eignen Leute,

Doch wird ein grosser Teil wohl auch der Horden Beute,

Wo in der Sklavenfron der Heiden ihre Tränen

Sie trinken und den Alleskürzer Tod ersehnen.

Davor braucht deinem holden Kind nicht mehr zu bangen,

Da sie so jung schon in den Himmel eingegangen,

Und ohne erst die Not der Erde zu erfahren,

Könnt ihre teure Seele sie vor Sünde wahren.

Gut also gings ihr, Sohn, auf ihres Lebens Wegen,

(Dran zweifle nicht), drum brauchst kein Leid du drob zu hegen.

Was du verloren hast und was dir fehlgeschlagen, —

Vergiss nicht, dass Vernunft und männliches Betragen

Von größerm Werte sind; drin zeig dich doch als Herrn,

Und fühlst du allen Trost von dir auch noch so fern.

Der Mensch ward nun einmal in solchem Recht geboren,

Dass allem Ungefähr zum Ziel er ist erkoren.

Schwer ist es, dem entgehn: was du auch immer tust,

So du aus freiem Willen nicht magst gehn, — du musst.

Was alle gleich bedrückt, weshalb denn dir allein,

Ich weiß es nicht, mein Sohn, soll es am schwersten sein?

Sterblich so wie auch du war ja dein Kind allhie,

Wie lang ihr Ziel bestimmt, so lange lebte sie,

Kurz zwar, allein darüber herrscht der Mensch nicht frei,

Und auch nicht leicht zu sagen ist, was besser sei.

Verborgen ist des Herren Ratschluss; wie er falle,

Am allerbesten ist, dass er auch uns gefalle.

Tränen sind wertlos; wenn dem Leib die Seel entfährt,

Vergeblich ists zu harren, dass sie wiederkehrt.

Jedoch der Mensch begibt sich nicht des Rechts auf Glück,

So dass die Schäden nur gewöhnlich merkt sein Blick

Und er nicht sehen will und dessen nicht gedenkt,

Was sich zuzeiten auch nach seinem Wunsche lenkt.

So waltet dir Fortuna, mein geliebter Sohn,

Dass wir nicht so sehr klagen, wenn uns was entflohn,

Als danken sollen, dass trotzdem verblieb ein Rest,

Denn all das hielten ja des Unglücks Hände fest.

Und so auch du, der allgemeinen Satzung treu,

Verwehr den Weg zum Herzen deiner Grübelei

Und halt im Auge, was des Unglücks Hand entglitten,

Nenn das Gewinn, worin du Schaden nicht erlitten.

Und nun, wozu die Kosten nur, die du getragen,

Wozu die Arbeit nur in deinen Lebenstagen,

Die du fast alle über Büchern zugebracht,

Nur wenig auf die Lustbarkeit der Welt bedacht?

Jetzt solltest du die Früchte, die du zogst, genießen

Und retten die Natur, die sich als schwach erwiesen.

Du brachtest vordem andern Trost in solchen Schmerzen:

Geht fremder Schaden mehr als eigner dir zu Herzen?

Jetzt, Meister, heil dich selbst! Die Zeit ist Arzt für jeden,

Doch wer verschmäht die Bahn für alle zu betreten,

Mag füglich auf so späte Arzenei verzichten,

Durch die Vernunft soll er, was sonst die Zeit heilt, schlichten.

Und welches Mittel hat die Zeit? Die frühern Plagen

Verdrängt durch frische sie, die leichter teils zu tragen,

Teils auch der gleichen Art; doch der vernünft’ge Mann

Sieht sie voraus und klammert, dies bedenkend, an

Vergangenes sich nicht, des Künftigen gewärtig,

Und macht das Herz für Glück wie auch für Unglück fertig.

Dran halte dich, und menschlich Missgeschick, mein Sohn,

Trag menschlich: Einer ist Herr über Leid und Lohn”.

Da schwand sie, ich erwacht, — obgleich nicht voll in Klarheit,

Ob ichs im Traum vernommen, oder ob es Wahrheit.

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